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    „Wir machen nur ein technisches Upgrade“ – Ein teurer Irrtum

    Im letzten Beitrag haben wir geklärt, was S/4HANA ist und warum die Migration unvermeidbar ist. Viele Führungskräfte glauben jedoch fälschlicherweise, es handle sich um ein reines IT-Projekt, ein „technisches Upgrade“ wie ein Service Pack für ECC.

    Das ist ein fundamentaler Irrtum.

    S/4HANA ist kein Update, es ist ein Systemwechsel. Es verändert die Art, wie Ihre Mitarbeiter arbeiten, wie Sie Daten sehen und wie Sie Entscheidungen treffen. Wenn Sie die Migration wie ein reines IT-Projekt behandeln, verschwenden Sie 90% des Potenzials und zahlen am Ende doppelt – einmal für die Technik und einmal für die Korrektur der verpassten Prozessoptimierung.

    Um das zu verhindern, schauen wir uns die fünf größten Änderungen an, die S/4HANA mit sich bringt und die JEDER im Fachbereich (besonders in MM und SD) verstehen muss.

    1. Der Wandel im Kern: Die In-Memory-Datenbank

    Wir haben es in Woche 1 kurz erwähnt, aber man kann es nicht oft genug betonen: S/4HANA läuft ausschließlich auf der SAP HANA-Datenbank.

    • ECC (Alt): Daten liegen auf Festplatten (disk-basiert). Analysen sind langsam. Komplexe Reports laufen über Nacht in einem separaten Business Warehouse (BW).
    • S/4HANA (Neu): Alle Daten liegen im Arbeitsspeicher (In-Memory). Das System greift „spaltenbasiert“ (Columnar Store) statt „zeilenbasiert“ zu, was Analysen extrem beschleunigt.

    Was das für Sie bedeutet: Sie führen Analysen direkt auf den Live-Transaktionsdaten durch. Ein Vertriebsleiter muss nicht mehr auf einen BW-Report warten, um den Umsatz von heute Morgen zu sehen. Ein Einkäufer sieht die Lagerbestandsentwicklung in Echtzeit, nicht den Stand von gestern Abend. Die Trennung von „Transaktion“ (OLTP) und „Analyse“ (OLAP) ist aufgehoben.

    2. Das Ende von Kunde und Lieferant: Der Business Partner (BP)

    Das ist die vielleicht größte operative Umstellung für die Stammdatenpflege in MM und SD.

    • ECC (Alt): Sie hatten einen Kundenstamm (Transaktion XD01/VD01) und einen separaten Lieferantenstamm (XK01/MK01). Wenn ein Lieferant auch Kunde war, mussten Sie die Stammdaten (wie die Adresse) an zwei Orten pflegen.
    • S/4HANA (Neu): Es gibt nur noch den Business Partner (Transaktion BP). Ein BP ist einfach eine juristische oder natürliche Person. Diesem BP weisen Sie dann Rollen zu (z.B. „Rolle: Kunde“, „Rolle: Lieferant“, „Rolle: Spediteur“).

    Was das für Sie bedeutet: Alle Adress- und Bankdaten werden zentral an einem Ort gepflegt, selbst wenn ein Partner mehrere Rollen hat. Das reduziert die Redundanz und Fehleranfälligkeit drastisch. ABER: Dies ist der komplexeste Teil der Migration (Stichwort CVI – Customer-Vendor-Integration). Ihre Datenqualität muss vor der Migration perfekt sein.

    3. Das neue Gesicht von SAP: Die Fiori User Experience (UX)

    S/4HANA bringt die SAP GUI mit, die Sie kennen. Aber um das volle Potenzial zu nutzen, müssen Sie SAP Fiori verwenden.

    • ECC (Alt): Die SAP GUI. Transaktionsbasiert (z.B. ME21N für Bestellung anlegen). Man muss wissen, welche Transaktion man braucht. Die Oberfläche ist überladen mit Feldern, die 90% der Nutzer nie brauchen.
    • S/4HANA (Neu): SAP Fiori. Eine moderne, browserbasierte Oberfläche, die auf jedem Gerät läuft (Desktop, Tablet, Handy). Sie ist rollen-basiert (ein Einkäufer sieht nur Einkaufs-Apps) und aufgaben-orientiert (statt einer Transaktion gibt es Apps wie „Bestellungen genehmigen“ oder „Lieferantenleistung überwachen“).

    Was das für Sie bedeutet: Die Einarbeitungszeit für neue Mitarbeiter sinkt. Prozesse werden intuitiver. Führungskräfte erhalten „Dashboards“ (Analytics) statt statischer Listen. Es erfordert jedoch ein Umdenken: Weg von auswendig gelernten T-Codes hin zu geführten Prozessen.

    4. Die große Aufräumaktion: Die „Simplification List“

    SAP hat S/4HANA genutzt, um über 20 Jahre gewachsene Komplexität zu beseitigen.

    • ECC (Alt): Für denselben Prozess gab es oft mehrere Transaktionen (z.B. im SD) und unzählige redundante Tabellen (Aggregat- und Indextabellen), die das System langsam machten.
    • S/4HANA (Neu): SAP hat Tausende von Tabellen und Hunderte von Transaktionen eliminiert oder zusammengelegt. Diese Änderungen sind in der „Simplification List“ dokumentiert.

    Beispiele für MM/SD:

    • Bestandsführung (MM): Die alten Materialbeleg-Tabellen (MKPF, MSEG) sind noch da, aber die wirklichen Daten liegen jetzt in der MATDOC-Tabelle. Alle Bestands-Reports lesen nur noch aus dieser einen Tabelle.
    • Außenhandel (SD/GTS): Die alten ECC-Außenhandelsfunktionen (basierend auf SD) sind weggefallen. Diese Funktionalität wird nun vollständig von SAP Global Trade Services (GTS) abgedeckt, das entweder „Embedded“ (in S/4) oder „Side-by-Side“ läuft.

    5. Das neue Universalgenie: Das Universal Journal (ACDOCA)

    Auch wenn dies primär das Finanzwesen (FI/CO) betrifft, hat es massive Auswirkungen auf MM und SD, da alle Logistikprozesse ins Finanzwesen integriert sind.

    • ECC (Alt): Daten waren aufgespalten. Die Finanzbuchhaltung (FI) hatte ihre Tabellen (BSEG/BKPF), das Controlling (CO) seine eigenen (COEP). Die Abstimmung zwischen FI und CO war ein Kernprozess jedes Monatsabschlusses.
    • S/4HANA (Neu): Alle Buchungen (egal ob FI, CO, Anlagenbuchhaltung, Material Ledger) landen in EINER Tabelle: dem Universal Journal (ACDOCA).

    Was das für Sie bedeutet: Sofortige Abstimmung. Ein Materialabgang in MM (Warenbewegung) erzeugt sofort einen einzigen Beleg im Universal Journal, der sowohl die FI- als auch die CO-Sicht enthält. Der Monatsabschluss wird von Tagen auf Stunden reduziert.

    Fazit: S/4HANA ist ein Weckruf für Ihre Prozesse

    Diese fünf Änderungen zeigen deutlich: S/4HANA ist kein „Plug-and-Play“-Update.

    Der Wechsel zum Business Partner erfordert eine Stammdatenbereinigung. Die Fiori UX erfordert ein Umdenken im Training. Und die Simplification List zwingt Sie, alte Prozesse (wie den SD-Außenhandel) neu zu denken.

    Unternehmen, die dies als Chance zur Prozessoptimierung begreifen, werden ihre Effizienz massiv steigern. Unternehmen, die nur die Technik migrieren, werden von der Komplexität überrollt.

    In welchen dieser 5 Bereiche sehen Sie die größte Herausforderung für Ihr Unternehmen? Die Stammdaten-Migration (CVI) oder die Akzeptanz der neuen Fiori-Oberflächen?

    Als Ihr Partner für S/4HANA-Logistik begleite ich Sie nicht nur technisch, sondern helfe Ihnen vor allem bei der Prozessanpassung und dem Change Management. Lassen Sie uns sprechen, bevor Sie im Projekt auf die ersten Hürden stoßen.

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